Das erste islamische Emirat auf syrischem Boden hat kaum einen Tag lang existiert. Ideologie, Taktik und Vorgehensweise der Banditen in Syrien erinnern erstaunlich an die Unruhen in Tschetschenien.
Gestern gab es von ANNA-News und aus anderen Quellen folgende Meldung:
„Um 4 Uhr morgens hat eine größere Einheit von bewaffneten Kämpfern aus dem Ort Bkas, mehr als 500 Mann stark, unter dem Kommando des „Emirs“ Sayed Tabbush mehrere Ortschaften nahe Al-Haffah in der Provinz Latakia angegriffen: Dschub Al-Akhmar, Al-Harwat und Al-Hamilah. Nach der Einnahme dieser Ortschaften proklamierten die bewaffneten Kämpfer in dieser Region die Errichtung eines islamischen Emirats. Zurzeit gibt es noch heftige Kämpfe in dieser Region von Latakia. Die Banden haben eine Zahl an alawitischen Geiseln genommen, ungefähr 1.500 Menschen sind aus diesen Dörfern geflohen. Unter Sayed Abbush wurde sofort eine Generalmobilmachung der Bevölkerung veranlasst, in deren Zuge jeder männliche Bürger im wehrfähigen Alter in die Reihen der FSA eingegliedert wurde. Jeder der neuen Rekruten bekam einen einmaligen Sold in Höhe von 500 US-Dollar. Anzumerken ist, dass das Durchschnittsgehalt in Syrien kaum über 300 US-Dollar pro Monat liegt. Aus Sayed Tabbushs Biografie ist bekannt, dass er früher Kohle für Wasserpfeifen gebrannt hat und damit ein Vertreter des kleinen Unternehmertums ist.“
Am heutigen Morgen kam allerdings bereits die Nachricht, dass diese Bandengruppierung von der Armee zerschlagen, der „Emir“ liquidiert worden ist. Dabei wurde auch eine größere Zahl Söldner gefangen genommen, die aus Tunesien und dem Jemen stammen.
Der Plan Kofi Annans ist damit eindeutig Geschichte. Die Armee hatte nach diesem Plan noch das Recht, sich gegen direkte Übergriffe zur Wehr zu setzen, Säuberungsoperationen in Gebieten und Ortschaften waren in diesem Plan jedoch verboten. Offenbar geht der Krieg jetzt in eine neue Phase, in genau die, von welcher Baschar al-Assad vor kurzem in seiner Rede vor dem syrischen Parlament gesprochen hat. Er hat auch keine Varianten und keine Zeit mehr – die bewaffneten Rebellen führen ihre Anschläge inzwischen praktisch auf dem gesamten bewohnten syrischen Territorium durch, Zögerlichkeit könnte hier in weitere Katastrophen ausarten.
Interessant ist die Terminologie der Banditen; sie entspricht bis in alle Einzelheiten dem, was vor längerer Zeit in Tschetschenien abgelaufen ist. Jeder Fetzen Erde hatte seinen „Emir“, über kurz oder lang tauchen „Brigadegeneräle“ auf, mit anderen Worten, das hat es alles – einschließlich auch der gleichen Ideologie und der gleichen Quellen für Finanzierung und Bewaffnung – schon gegeben. Die „Republik Itschkeria“ existiert auf dem Papier noch heute, und deren Protagonisten sitzen auch – was Wunder – in London. Vielleicht verstehen die Syrer und ihre Freunde jetzt besser, was Grosny, Budjonnowsk und Beslan für die Russen bedeutet haben. Der Unterschied ist nur, dass es in der Russischen Föderation nur das eine Tschetschenien gab, und dabei sind die Größenverhältnisse zwischen diesem Territorium und dem übrigen Russland relativ „günstig“, in Syrien sind es deren drei: die Provinzen Homs, Latakia und Idlib; bewaffnete Aktionen laufen auch in der Provinz Damaskus und im Süden des Landes. Die Armee ist gezwungen, ihre Kräfte zu splitten und aktiv herumzumanövrieren. Das Mittel gegen den Terror bleibt jedoch ein und dasselbe: Liquidierung der Banden, Repressionen gegen Zivilpersonen, die diese Banden unterstützen und Amnestien für solche, die freiwillig die Waffen niederlegen. Auf anderem Weg ist ein Sieg und ein Ende des Bandenterrors nicht in Sicht.