Dschobar. Foto von A. Filatow / ANNA-News
“Die syrische Krise ist beigelegt. Der Krieg in Syrien geht weiter.” So hieß es in einem Kommentar bei ITAR-TASS zur gegenwärtigen Lage vor Ort und zum Resultat der Verhandlungen USA-Russland in Genf.
Ungeachtet der zur Schau gestellten Entschiedenheit ist offensichtlich, dass die USA in dieser Krise den Kürzeren gezogen haben. Äußerlich sieht alles gut aus, Obama behält Oberwasser: die geplante Vernichtung der syrischen Chemiewaffen ist ein nettes Geschenk für den wichtigsten Verbündeten – Israel. Dabei müsste man allerdings außer Acht lassen, dass Israel nicht Obamas Verbündeter ist. Israel ist jetzt vielmehr ernster Gegner Obamas, denn es war niemand anderes als Netanjahu, der alles unternommen hat, um die USA in einen Krieg zu stürzen, den sie überhaupt nicht gebraucht haben.
Aus diesem Grunde kann man eigentlich nur eine Niederlage Obamas konstatieren – man hat ihn vorgeführt, angestiftet und zu tun gezwungen, was er in keiner Weise vorhatte. Mehr noch, wäre es zu dem US-Angriffskrieg gegen Syrien gekommen, so wäre dies wohl der erste US-geführte Krieg, zu dem man die Staaten ganz banal und unverhohlen angeheuert hätte, wie man das mit Söldnern macht.
Nun kann Obama zu seinem “Plan B” – den Verhandlungen mit dem Iran – zurückkehren, sein Problem besteht indes allerdings darin, dass die Eskalation um Syrien seine Schwäche und relative Unfähigkeit demonstriert hat, eine selbständige Politik zu verfolgen.
Für die jetzige US-Administration bedeutet das zweierlei. Erstens ziehen die Ayatollahs natürlich ihre Schlüsse aus der Sache und werden mit Obama so verhandeln, wie man mit einem Schwächling und Unglücksraben redet. Zweitens – wenn Obama im Zuge der bereits offen angekündigten Gespräche mit dem Iran zu für sich annehmbaren Resultaten gelangt, wird er immer den Atem seiner erbittertsten Alliierten im Rücken spüren, die entweder gleich diese Verhandlungen oder deren Resultate hintertreiben, indem sie neue Provokationen starten. Mit anderen Worten, das Vertrauen der Iraner in Obama dürfte schwer gelitten haben. Don Corleone hat ein Problem: solange es Aufruhr in seiner Famiglia gibt, ist er in den Augen der anderen Dons kein glaubwürdiger Chef der größten Mafia. Diese anderen Dons werden sicherlich erst einmal abwarten, aber bei erster sich bietender Gelegenheit die Schwäche des Konkurrenten ausnutzen.
Obama hat deswegen keine Wahl: er muss beweisen und demonstrieren, dass er dazu in der Lage ist, Probleme mit seinen politischen Gegnern beizulegen, selbst, wenn diese als seine Alliierten gelten. Ansonsten werden die verbleibenden drei Jahre der derzeitigen US-Administration in schnellen Trudeln gen Boden gehen. Seine Aufgabe wäre jetzt die Bestrafung der Schuldigen für diese Krise. Nicht die Bestrafung irgendwessen, sondern der Schuldigen – das übliche Vorgehen der Amerikaner, die Sache genauestens zu untersuchen und daraufhin irgendwen abzustrafen, zieht diesmal nicht. Für die Niederlage Obamas zeichnen Netanjahu und Prinz Bandar verantwortlich. Alle ohnehin schon erklärten Feinde der USA werden Obama genau auf die Finger schauen, wie er mit dieser Aufgabe zurechtkommt.
Eine Option gibt es da – sie wurde erst von Putin in dem improvisierten Interview vom 10. September angedeutet, Baschar al-Assad spricht, danach gefragt, gleiches und parallel dazu kommt es in die Medien.
Es geht um die “Counterbalance”, welche die Chemiewaffen in Syrien zu den diversen, mannigfaltigen Massenvernichtungswaffen Israels sein sollten. Die Auslieferung des syrischen Chemiewaffenarsenals ist eine taktische Entscheidung, welche die jüngste Eskalation beizulegen vermochte. Strategisch gesehen führt das aber zu einem bedenklichen Ungleichgewicht. Für die Region hätte das schlimme Folgen.
Der einzige Ausweg ist die internationale Kontrolle über die israelischen Atom- und anderen Massenvernichtungswaffen. Das ist gar nicht so exotisch, wie es vielleicht klingt – IAEA-Inspektoren zulassen, Beitritt Israels zu den international gültigen Kontrollsystemen – Atomwaffensperrvertrag, Biowaffenkonvention, etc. – Nachweis und Kontrolle über diese Waffen mit späterer Liquidierung, selbstverständlich im Austausch gegen internationale Sicherheitsgarantien. Alles das klingt fast wie ein Tabubruch, aber es wäre mittel- und langfristig fatal, einen solch aggressiven Staat wie Israel mit diesem gefährlichen Kriegsspielzeug allein zu lassen.
Der Nahe Osten ist in zwei Fällen in einem vagen Gleichgewicht: entweder bei gegenseitiger Abschreckung, wenn Massenvernichtungswaffen in den Händen verschiedener Staaten die oben angesprochene “Counterbalance” bilden, oder die Region muss von dieser Art Waffen komplett befreit werden. Das taktische Manöver mit der “Teilentwaffnung” Syriens hat auf längere Sicht unweigerlich Auswirkung auf die Stabilität.
Genau genommen ist das nämlich auch im Interesse Obamas. Die Provokation von Ost-Ghouta, hinter der die Saud stecken, und die Provokation im Mittelmeer im Angesicht waffenstarrender Flottenverbände zeigen deutlich, wer die Nutznießer der Krise sind, die Obama so schön vorgeführt haben. Solche Dinge werden nicht vergeben. Und das hat nichts mit Emotionen und beleidigtem Ehrgefühl zu tun, sondern hier geht es darum, keinen Präzedenzfall zu schaffen, denn ansonsten wäre die Versuchung gar zu groß, solche und andere Provokationen zu veranstalten.
Tja, wie ginge das? Spätestens seit der u.a. auf RT laufenden, oben angemerkten Kampagne kann man sich vorstellen, dass Russland irgendwann in naher Zukunft mit einer Forderung nach internationalen Inspektionen der Atomanlagen Israels hervortritt, wonach die vielbeschworene internationale Gemeinschaft Israel dazu überreden kann, sich gegenüber den gängigen Kontrollmechanismen zu öffnen und eine schrittweise Vernichtung aller Massenvernichtungswaffen einzuleiten. Wie gesagt, selbstverständlich gegen umfassende Sicherheitsgarantien.
Es ist klar, dass diese mögliche Wendung in Israel selbst nicht auf Begeisterung stoßen wird, aber hier kann nichts von dessen Begeisterungsfähigkeit abhängen. Zu diesem Weg kann und muss man die Israelis überreden oder sie eben zu ihrem Glück zwingen.
(Nachtrag, um keinen gesonderten Post machen zu müssen)
Im leidgeprüften Syrien konzentrieren sich die Kampfhandlungen immer noch auf das Umfeld bzw. die Vororte von Damaskus. Die allmähliche Einkesselung von Duma läuft an. Die syrischen Militärs schätzen die dort verbleibende Mannzahl der Terrorbrigaden auf 15 bis 20 Tausend. Duma ist gut befestigt, und im Unterschied zu Dschobar verbleibt dort eine Menge an Zivilbevölkerung. Ein Frontalangriff auf Duma ist deswegen ausgeschlossen. Die Vernichtung dieser Rebellengruppierung wird deswegen “behutsam”, Stadtviertel um Stadtviertel, vor sich gehen müssen.