Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte vorgestern Unverständnis dafür geäußert, dass Putin an der Siegesparade auf der Krim teilzunehmen gedenkt. Fettnapf. Hier nur beispielhaft eine der Reaktionen, die es von den Russen darauf gab – die Meinung von Dmitrij Steschin, der momentan als Korrespondent von KP.ru in Slawjansk ist. Ein bißchen Polemik zum Tag des Sieges über den Hitlerfaschismus.
In der Karriere eines jeden Politikers kommt unbedingt irgendwann ein Moment, wenn nicht einmal mehr sorgfältig ausgewählte Worte helfen und es an der Reihe wäre, einfach einmal zu schweigen und die aktuelle Lage am besten gar nicht zu kommentieren. Im andern Fall kann aus dem Gesagten, wie aus einem geplatzten Abwasserrohr, eine braune Fontäne all dessen hervorsprudeln, was vor den Augen und Ohren der einfachen Leute bislang so behutsam verborgen wurde.
Von Merkels Bemerkung erfuhren wir, als wir bereits im abgeriegelten Slawjansk waren, wo nach Meinung derer, denen die Siegesparade missfällt, die Untermenschen des Ostens oder “Moskali” und “Kazapen” hausen.
Mein erster Gedanke war relativ simpel – “sollen sie sich doch bei ihren Vorfahren beschweren, die sowohl auf der Krim als auch in Slawjansk geschlagen wurden”. Danach dachten wir an eine persönliche Tragödie der Familie Merkel, wir versuchten gar, sie mit der gesamten Breite unserer russischen Seelen und unserem pathologischen Hang zur Allvergebung zu begreifen: “Vielleicht hat ihr Opa, als er zusammen mit Erich von Manstein auf der Krim landete, einfach Pech gehabt, konnte sich nicht schützen und ist dort bis zum Jüngsten Gericht hängengeblieben – vielleicht ist es so eine alte Familientragödie der Merkels, eine Art wunde Stelle?” Eine kurze Internetrecherche ergab, dass der eine Opa von Frau Merkel noch während des Ersten Weltkriegs schwer verwundet wurde. Der andere Opa war, obwohl er seinen polnischen Familiennamen aus politischen Erwägungen in einen deutschen wandeln ließ, ein durchaus frommer Geistlicher und hatte keinen Anteil am “Drang nach Osten”. Worin war also der Grund zu suchen?
Es erwies sich als viel einfacher und zynischer, gemeiner, ganz besonders, wenn man die Sache von Slawjansk aus betrachtet. Wir hören also, dass wir auf der Krim ein “Spannungsfeld” haben. Versteht ihr? Atmet durch, lest es noch einmal, falls ihr es nicht verstanden habt. In Odessa, wo die Ideennachfolger von Merkels Landsleuten aus dem vergangenen Jahrhunderst in den besten Traditionen von Auschwitz und Chatyn eine derartige Menge an Menschen verbrannt haben, dass sie bisheute Angst davor haben müssen, die wirkliche Zahl der Opfer zuzugeben, da haben wir kein “Spannungsfeld”. Das ist in Ordnung, das ist keiner Stimme aus dem politischen Spektrum der humanistischen europäischen Öffentlichkeit wert.
In Mariupol, wo die Leichen der ermordeten unbewaffneten Einwohner auf den Straßen liegen, wo man sie einfach mit Brettern umgeben hat, damit sie nicht plattgefahren werden, da ist alles normal. In Kramatorsk ist alles bestens – dort wurde gestern die 21-jährige Krankenschwester bestattet, die in einem Taxi unterwegs war, als sie von der ukrainischen Nationalgarde erschossen wurde – auch das ist vollkommen in Ordnung. Slawjansk, wo die Kiewer Zusammenrottung (mit Segen der Europäischen Union, also auch Deutschlands!) eine humanitäre Katastrophe veranstaltet, bevor sie die Stadt mit Grad-Raketenwerfern angreift, bekümmert und interessiert Angela Merkel auch in keiner Weise.
Gut, wir haben diese europäischen Spielregeln verstanden und nehmen sie an. Diesen Regeln entsprechend hieße es, wenn Frau Merkel die “Feuertaufe” Odessas und der Beschuss von Zivilisten in Slawjansk nicht sorgen, dass vielleicht gerade dies die idealen Orte für die Durchführung der Siegesparade sind? Was denkt ihr? Auf der Krim können wir die Parade auch das nächste Mal veranstalten. Wir glauben, dass die Leute auf der Krim um ihrer Brüder in der Südostukraine willen gerne ein Jahr warten werden.
Quelle: KP.ru