Im Krieg gegen Syrien kommt, wie weiland in Libyen, die psychologische Komponente von Gerüchten über „Königsmorde“ hinzu.
Maher al-AssadGestern geisterte eine Meldung durchs Netz, der zufolge der jüngere Bruder von Baschar al-Assad, Maher, von einem Attentäter aus eigenen Reihen umgebracht worden sein soll. Englischsprachige Quelle dafür war die aserbaidschanische Nachrichtenseite „Trend“, die sich auf die ägyptische Zeitung Al-Shourouk berief.
Im wirklichen Leben sieht die Sache eher so aus: es gab den Versuch, einen Leibwächter zu bestechen, der so ausging, dass dieser entweder Meldung machte oder verhaftet wurde. Es gab keinen Mordanschlag; allerdings gab es die erste bewusste Desinformation darüber vor ungefähr vier Tagen. Gestern ist diese Nachricht endlich nach Aserbaidschan gelangt, von wo aus die Ente nun schon in verschiedenen Sprachen in die Welt hinausgeschickt wurde.
Das erinnert in langweiliger Weise an den Krieg gegen Libyen, in dessen Verlauf man zum Beispiel Chamis al-Gaddafi mindestens einmal im Monat umgebracht hatte. Die Praktiken bleiben die gleichen, aber sie funktionieren ja anscheinend.
Inzwischen hat auch die syrische Nachrichtenagentur SANA die Meldung des katarischen Propagandasenders Al-Jazeera dementiert, diverse ranghohe syrische Regierungsbeamte seinen jeweils Attentaten zum Opfer gefallen. Unter den angeblich Getöteten nannte man die Verteidgungs- und Innenminister, den stellvertretenden Chef des Generalstabs und einen bekannten Funktionär der Baath-Partei. Und das alles zusätzlich zu der Ente mit Maher al-Assad.
Ungeachtet dessen, dass es sich dabei offensichtlich um recht schnell entlarvte Falschmeldungen handelt, ist doch eine gewisse Logik dahinter. Den genannten Personen wird sanft und unaufdringlich ein „schwarzer Punkt“ überreicht. Überhaupt hat das in diesem Kulturkreis eine gewisse Tradition – zum Beispiel waren die Meldungen über die Attentate auf den Emir von Katar, sofern es sich dabei um Falschmeldungen handelte, dazu da, seiner Heiligkeit die Vergänglichkeit des Seins in Erinnerung zu rufen und dabei die Empfehlung auszusprechen, sich nicht allzu weit aus dem Fenster zu lehnen. Die Details kann er sich dann schon selbst denken.
Es sieht also danach aus, dass mit dem Versuch, konkrete Führungspersönlichkeiten zu verschüchtern, eine neue Etappe im Krieg gegen Syrien beginnt – die bisher noch relativ monolithische syrische Führung soll ins Wanken geraten. Manche wird man versuchen zu bestechen, manche bloß verschüchtern, andere – sollte das gelingen – werden wirklich umgebracht. Das ist das gute alte Prinzip der Eroberung einer Festung: wenn es mit Soldaten nicht gelingt, versucht man es mit einem goldbeladenen Esel.
Es bleibt abzuwarten, was sich nach den „Atomgesprächen“ mit dem Iran am 23. Mai in Bagdad ergibt. Dort wird man wohl versuchen, dem Iran etwas Nachsicht mit seinem Atomprogramm im Austausch für Syrien anzubieten. Die weiteren Schritte der „demokratischen Demontage“ Syriens, beziehungsweise die Härte dieser Schritte, wird nicht zum geringsten Teil vom Ergebnis des Handels mit Teheran abhängen.