Dass die türkische Zeitung “Yurt” schon vor einer Weile bestätigt haben soll, die in Akçakale eingeschlagenen Geschosse stammen aus NATO-Beständen bzw. seien NATO-Standard, den die syrische Armee nicht besitzt, ändert eigentlich nichts an der extrem volatilen Lage, die inzwischen in der Region besteht. Selbst, wenn jetzt eindeutig bewiesen werden könnte, dass es ganz sicher die syrische Armee gewesen ist, welche diese Geschosse abgefeuert hat, würde das kaum noch eine Bedeutung haben.
Die Türkei unterstützt in Syrien agierende Terrorkommandos, bildet sie aus, versorgt sie mit Menschenmaterial, Waffen und Munition, und führt damit bereits Krieg gegen den südlichen Nachbarstaat. Dass man diese Aktionen rein juristisch wohl noch nicht als “Krieg” qualifizieren kann, zeugt lediglich davon, dass das geltende internationale Recht hinter der Realität zurückgeblieben ist.
Jewgenij S. in der TürkeiIm Grunde trägt die Türkei – vor allen anderen – selbst die Schuld am Tod der eigenen Bürger in dem Grenzort. Ebenso wie am Tod tausender Syrer, die von den Händen dieser Terrorbanden gemeuchelt werden. Die Frage danach, ob es nun zu einem Krieg zwischen der Türkei und Syrien kommt, ist also nicht ganz korrekt. Dieser Krieg läuft bereits seit längerer Zeit, anders kann man das Verhältnis nicht qualifizieren. Man kann höchstens noch danach fragen, wann denn die nächste, intensivere Phase beginnt.
Der Redakteur hier auf Deutsch erscheinenden russischen Serie “Umgestaltung der Welt”, Jewgenij, hat seine Ankündigung, das er derweil aus der Türkei übersandte:
Nur kurz zur Lage. Am heutigen Tag meines Aufenthalts in der Türkei hatte ich bereits Gelegenheit, mit einer Menge von Leuten zu sprechen (…) Gerade eben komme ich von einem Treffen mit einem mir sehr viel bedeutenden Menschen, welcher über die aktuelle Lage bestens im Bilde ist. Unser Gespräch war ausführlich und bedrückend. (…) Ich führe nur das Wichtigste daraus an: den Krieg gegen Syrien wird es geben, und das sehr bald. Es sei denn, es kommt noch ein UFO gefolgen und vernichtet uns alle (oder es passiert etwas ähnlich wahrscheinliches). Das, was wir derzeit beobachten, ist ein extrem zynischer Mummenschanz. Und wir alle befinden uns eigentlich in einer Art seligen Unwissens, sind voller romantischer Vorstellungen, Übertreibungen und Verirrungen. Etwa wie sich Kinder die Welt der Erwachsenen vorstellen, in einem Alter, in dem man meint, der beste Beruf sei der eines Eisverkäufers.
Den Krieg in Syrien wird es geben, er steht unmittelbar bevor. Und das traurigste daran ist, dass wir [Russland] nichts dagegen tun können. Überhaupt nichts. Das beste, was noch denkbar wäre, ist, wenn wir einfach unsere Position beibehalten. Aber es wird keinerlei Rettung für Syrien geben, etwa durch eine entschiedene Militäraktion oder dergleichen.
Die türkischen Zeitungen schreiben, dass die Ereignisse sich nicht in einer faktischen Abkühlung der Beziehungen zwischen Türkei und Russland niederschlagen werden, sondern dass sich unsere Diplomaten so geeinigt hätten, dass man äußerlich gegensätzliche Positionen demonstriert, das aber keine Auswirkung auf die wirtschaftlichen Beziehungen haben wird.
So weit, so schlecht.
Da heute die Türken ihren Luftraum komplett für syrische Flugzeuge gesperrt haben (als Antwort auf eine analoge Sperre in Syrien), kann man bloß noch konstatieren, dass die Spannungen nicht mehr bloß zunehmen, sondern unaufhaltsam auf Konflikt zusteuern. Weder die Türkei, noch Syrien unternehmen Schritte, diesen Konflikt zu vermeiden – die eine Seite will das nicht, die andere versteht wohl, dass solche Schritte fruchtlos sind. Die “internationale Gemeinschaft”, zum Beispiel der UN-Sicherheitsrat, schweigen still. Dagegen stoßen eine Reihe von Staaten die Türkei und Syrien merklich mit den Köpfen aneinander und können es kaum erwarten, dass die Sache explodiert.
Man kann wohl leider wirklich nur schließen, dass Krieg zwischen Syrien und der Türkei eine bereits entschiedene Frage ist. Vom türkischen Außenminister Davutoglu wurde angedeutet, dass man nur noch auf den “letzten Anlaß” wartet, um diesen Mechanismus anzuwerfen. Die letzten beiden Anlässe – der Beschuss von Akçakale et al. sowie die Sache mit der “Notlandung” des Flugs Moskau – Damaskus in Ankara, wo Raketenteile Munition subversive Geheimdepeschen letztlich keinerlei “illegales Material” an Bord gewesen ist – sind inzwischen von ihrer Verwertbarkeit abgelaufen bzw. konnten generell nicht für irgendetwas verwertet werden. Jedenfalls ist es den türkischen Geheimdiensten offenbar nicht gelungen, etwas glaubwürdiges zusammenzuschustern. Vielleicht helfen da ein paar ausländische Kollegen.
Andererseits interessiert die “Rechtmäßigkeit” für einen Krieg kaum noch jemanden. Unter den gegenwärtigen Bedingungen kann man schon fast daran gehen, verschiedene Varianten gegeneinander abzuwägen. “Ob” oder “ob nicht” war gestern, jetzt kann man sich langsam fragen, wann und wie es losgeht und wie es wohl endet.